- Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Verwaltungsrechtssache eine sehr interessante Entscheidung gefällt:
BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Oktober 2018
-- 1 BvR 595/14 - 1 BvR 2523/13 -, Rn. 1-36,
http://www.bverfg.de/e/rs20181023_1bvr252313.html
Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Oktober 2018
- Stößt die gerichtliche Kontrolle nach weitestmöglicher Aufklärung an die Grenze des Erkenntnisstandes naturschutzfachlicher Wissenschaft und Praxis, zwingt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG das Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen, sondern erlaubt ihm, seiner Entscheidung insoweit die plausible Einschätzung der Behörde zu der fachlichen Frage zugrunde zu legen. Die Einschränkung der Kontrolle folgt hier nicht aus einer der Verwaltung eingeräumten Einschätzungsprärogative und bedarf nicht eigens gesetzlicher Ermächtigung.
- In grundrechtsrelevanten Bereichen darf der Gesetzgeber Verwaltung und Gerichten nicht ohne weitere Maßgaben auf Dauer Entscheidungen in einem fachwissenschaftlichen „Erkenntnisvakuum“ übertragen, sondern muss jedenfalls auf längere Sicht für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung sorgen.
Diese Entscheidung gibt Anlaß zur Prüfung der Frage, inwieweit in familiengerichtlichen Verfahren der humanwissenschaftliche Erkenntnisstand für die Verwertung von Sachverständigengutachten eine verfassungsrechtlich gesicherte, hinreichende Erkenntnislage herzustellen vermögen.
Richtig ist: Die psychologischen und medizinischen Fachverbände suggerieren zwar das angebliche Vorhandensein humanwissenschaftlicher Methoden für prognostisch zuverlässige Feststellungen z.B. einer sog."Kindeswohlgefährdung". Dass die geforderte Zuverlässigkeit gerade nicht vorhanden ist, ist kann wissenschaftlich belegt werden.
Hinweise darauf ergeben sich aus der öffentlichen Diskussion zur Mangelhaftigkeit familiengerichtlicher Sachverständigengutachten. Die Mangehaftigkeit ist unter anderem vor allem dem Umstand geschuldet, dass es bislang keine wissenschaftlich gesicherten Methoden zur Erstellung eines familiengerichtlichen Sachverständigengutachtens gibt. Die von den Fachverbänden aufgestellten "unverbindlichen" (sic!!!) Mindeststandards, bieten einen groben äußeren Rahmen für die Erstellung von Sachverständigengutachten. (Dieses Thema wird in einem anderen Seitenkapitel detailliert bearbeitet werden)
Die Humanwissenschaften fordern in der universitären Lehre objektive, reliable und valide Daten. Nur wenn die Kriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität in humanwissenschaftlichen Forschungen erfüllt sind, kann von einem ausreichenden Erkenntnisstand in humanwissenschaftlicher Wissenschaft und Praxis gesprochen werden.
Der oben zitierte Beschluss des BVerfG betrifft "Grenzen des Erkenntnisstandes naturschutzfachlicher Wissenschaft und Praxis". Die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss geforderten Grenzen des Erkenntnisstandes sind ebenso in humanwissenschaftlichen Gebieten von herausragender Bedeutung und somit auch auf diese übertragbar.
Insbesondere wenn ärztliche oder psychologische Gutachten zur Begründung schwerwiegender Grundrechtseingriffe (Eingriffe in Eltern- und Kindesgrundrechte oder in Freiheitsgrundrechte von Kindern und Erwachsenen) herangezogen werden sollen, darf dies nicht - in einem "humanwissenschaftlichen Erkenntnisvakuum" vollzogen werden.
"Wenn wir Phantasie von Wirklichkeit und Sinn von Unsinn unterscheiden wollen, brauchen wir die Einstellung eines Wissenschaftlers: Skepsis ohne Zynismus und Offenheit ohne Leichtgläubigkeit."
[...] Nicht meine oder Ihre Meinung zählt bei der abschließenden
Analyse, sondern die Wahrheiten, die die Natur auf unser Forschen
hin preisgibt.
(Zitat aus "Psychologie" von David C. Myers, Kapitel: "Die Notwendigkeit der Psychologie als Wissenschaft", Seite 23)
Fortsetzung folgt.....................
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